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Abwarten und Kaffee trinken

Abwarten und Kaffee trinken

Die Vergangenheit hinter sich und die Zukunft auf sich zukommen lassen. Das Hier und Jetzt nutzen.

Der beste Moment, um Dinge anzugehen, ist HEUTE. Ähh. Nee. Ich warte nämlich.

Im September letzten Jahres reichte ich die Scheidung ein. Es folgte zeitintensive Bürokratie. Die betrübliche Erkenntnis, dass viele Rentenpunkte schwinden werden und meine private Altersvorsorge… ach, lassen wir das. „Du hast es so gewollt“, trällert die böse Stimme, „Das ist der Preis“. Das zaghafte Aber stellt die Rechtslage trotzdem in Frage. Ist das gerecht? Muss das so sein?

Andere Fragen bezüglich der Kinder zum Beispiel sind noch offen. Ich sehne den Scheidungstermin herbei. Klärung. Klarheit. Abschluss. Das Ende eines Kapitels, damit wir ein Neues aufschlagen können.

Es heißt: Abwarten und Kaffee trinken.

In der Zwischenzeit könnte ich doch mein Pärchentattoo vom fünften Hochzeitstag individualisieren, dachte ich. Meine Tochter half fleißig bei den Erweiterungsüberlegungen. Da ich dann doch keine „Walk In“-Verewigung auf dem Arm haben wollte, vereinbarte ich einen Termin. Und warte. Genau wie auf andere Gesprächstermine, um Dinge anzustoßen, Veränderungen zu ermöglichen, Optionen auszuloten. Ich raufe mir die Haare während das System mich immer und immer wieder auffordert einen anderen Weg zu suchen.

Nebenbei flitze ich durch den Alltag. Hier ein Elterngespräch. Da eine Verabredung. Im Hinterkopf geöffnete Tabs. Offene Fragen. Hier ein Telefonat. Dort ein Punkt für die To-Do-Liste. Nie endend. Dem Wahnsinn zum Trotz eine Kaffeepause.

Kommt Zeit, kommt Rat.

Geduldig abwarten. Puh. Eine Challenge. Obwohl ich meinen Kaffee sehr wohl sehr bewusst genießen kann, kotzt mich das „Alles braucht seine Zeit“ an. Kann ich bei meinem Tattoo-Vorhaben mit „Es ist, wie es ist.“ noch umgehen, sieht es bei dem existenzielleren Bedürfnis nach Klärung ganz anders aus. Das Vertrauen, dass sich Lösungen finden, bröckelte bereits so sehr, dass es staubt.

Es braucht wiedermal einen Perspektivwechsel. Ich halte mich jetzt also an den Worten von Carl Rogers fest:

Das gute Leben ist ein Prozess, kein Zustand des Seins. Es ist eine Adresse, kein Ziel.

Die Richtung konnte ich ausmachen. Der Kurs ist klar. Das ist doch was… Mal sehen, was mich der Prozess noch lehrt. Und sich am Boden der Tasse offenbart.

Ich glorifiziere den Kaffee hiermit zu meiner Kraftquelle. Was ist deine?

Anne


LebenseinstellungNachdenkenProzess

Kommentare

  1. avatarMM

    Kaffee – was sonst?

    1. avatarAnne

      Was sonst? Nach dem Kaffee ist vor dem Kaffee…

    2. avatarSari

      Ruhige Abende. Ich brauche sie. Dringend und immer. Sie sind mir heilig und wenn er ausbleibt, kann ich ungenießbar werden mit der Zeit. Ich bin auch sehr schlecht, wenn es um Warten geht, umso besser aber dafür beim Verdrängen…

      1. avatarAnne

        Ruhige Abende als Kraftquelle – so nachvollziehbar. Wertvolle Zeit für einen selbst, dass man ungenießbar werden kann, wenn sie fehlt, ist ebenfalls so verständlich.
        Verdrägen… beiseite schieben… das kenn ich auch.
        Danke für deine Gedanken.